Stiftung Attl beendet Jubiläumsjahr

Die Geschichten hinter der Geschichte

Das Datum für den Abschluss der 150-Jahr-Feier, den 17. Februar, hatte die Stiftung Attl ganz bewusst gewählt. An diesem Tag vor genau vor 150 Jahren war die „Anstalt für männliche Unheilbare“ – wie sie damals benannt wurde – notariell beurkundet und in die Verwaltung und den Betrieb durch den Orden der Barmherzigen Brüder übergeben worden.

Stiftungsvorstand Jonas Glonnegger würdigte in seiner Ansprache das Verdienst und die Leistung der Barmherzigen Brüder, die knapp 100 Jahre für den Betrieb der Einrichtung zuständig gewesen waren. Der aus dem Dachauer Raum stammende Historiker Reinhard Kreitmair gab anschließend in einem Werkstattbericht Einblicke in seine Arbeit an einer umfassenden Chronik über die Einrichtung, die noch in diesem Jahr erscheinen wird.

Mit einer Andacht in der Klosterkapelle – einem Anbau aus dem frühen 20. Jahrhundert durch den damaligen Prior Makarius Wiedemann – begann der Abschluss der Feierlichkeiten, die mit der Veranstaltung „Attl leuchtet“ im Januar vergangenen Jahres ihren Anfang genommen hatten. Die Heilung des bilden Bartimäus durch Jesus war zentraler Bestandteil der Feierstunde, die von Pastoralreferentin Ann-Kathrin Lenz-Honervogt und dem evangelischen Seelsorger Pfarrer Holger Möller gestaltet wurde.

Vorstand Glonnegger begrüßte in seiner Festrede allen voran den Provinzial der Barherzigen Brüder, Frater Rudolf Knopp. „Auch, wenn es nicht mehr eindeutig festzumachen ist, von wem die Initiative zur Anstaltsgründung ausging: Ohne den Willen der Barmherzigen Brüder würde es die Stiftung Attl nicht geben“, würdigte Glonnegger diese Leistung. Dafür sei man dem Orden noch bis in die heutige Zeit dankbar verbunden.

Die Aufgabe der Fürsorge für Menschen mit Beeinträchtigungen spiegelt vor allem auch immer die jeweilige Zeit wider. Spannend, so Glonnegger, sei vor allem auch die Frage, welchen Einfluss beispielsweise die beiden Kriege auf Haltung und Fachlichkeit in der Pflege und Fürsorge genommen hätten. „Doch auch heute handeln wir immer noch im gleichen Auftrag“, betont der Stiftungsvorstand. Es gehe darum, nach bestem Wissen und Gewissen diesen ganz besonderen Menschen Lebensräume anzubieten und sie in ihrem Leben nach ihren Bedürfnissen zu begleiten.

Im ehemaligen Brauhaus der Stiftung präsentierte anschließend Historiker Reinhard Kreitmair dem interessierten Publikum Einblicke in seine Arbeit an dem Buch über die Geschichte der Stiftung Attl.

Seit rund eineinhalb Jahren forscht Kreitmair im Auftrag der Einrichtung und recherchierte dafür in einschlägigen Archiven wie dem der Barmherzigen Brüder und dem Bayerischen Staatsarchiv. Dabei geht es ihm aber in erster Linie nicht darum, eine reine Chronik mit nüchternen Zahlen, Daten und Fakten zu publizieren. Ihn interessieren vor allem die Geschichten hinter der Geschichte. Was damit gemeint ist, erschloss sich den Zuhörern seines einstündigen Vortrags aus der Präsentation von zwölf Ansichtskarten aus den Jahren 1899 bis 1942 mit Bildern der Einrichtung und ihrer unmittelbaren Umgebung.

Mit Erläuterungen zu den Motiven, den Verfassern sowie ihren geschriebenen Texten zeichnete Kreitmair ein situatives Bild der jeweiligen Zeit. Dabei setze er ihre persönlichen Geschichten in den entsprechenden historischen Kontext und das jeweilige Bild der Einrichtung und den dort lebenden Menschen – beginnend im ausgehenden 19. Jahrhundert bis hin in die Zeit des zweiten Weltkriegs, als die Betreuten der Einrichtung deportiert und ermordet wurden und die Gebäude anderen Zwecken dienten mussten.

Dazu fand Vorstand Jonas Glonnegger in seiner Ansprache auch die passenden mahnenden Worte: „Wir haben nicht die Garantie, dass dies nicht wieder vorkommt. Und wenn nicht jeder von uns wachsam ist und für unsere Freiheit, unsere Haltung und unser Menschsein einsteht, dann entstehen konsensfähige Haltungen in der Gesellschaft, die zumindest mehrheitlich wieder getragen werden könnten.“

Im Rahmenprogramm der Abschlussveranstaltungen gab es außerdem Kirchenführungen mit Barbara Bortenschlager sowie die Möglichkeit die alten Keller unter der Kirche und dem Klostergebäude zu besichtigen. Ein letztes Mal öffnete auch der alte Ross-Stall mit den beiden Ausstellungen „Historische Rückblicke“ und „150 Scheene G‘sichter“. – mjv